Komitee-Stimmen Folge 22: Stefan Conrad

Unter dem Titel "Komitee-Stimmen" äussern sich in diesem Blog Mitglieder des Komitees Weltoffenes Zürich regelmässig zu Themen, die wichtig sind für den Standort und dessen Anbindung an die Welt. Aktuell fragen wir nach bei Stefan Conrad, Partner bei KMES Partner Zürich. Die Rubrik ist auch Teil des monatlich erscheinenden Newsletters des Komitees, der über diesen Link abonniert werden kann. Vielen Dank für Ihr Interesse!

Sie waren von 2010 bis 2017 COO des Flughafens Zürich und danach bis 2020 CEO Zurich Airport Latin America. Beginnen wir in Brasilien: Was waren Lust und Frust ihrer Zeit in Rio de Janeiro?

Am Ende meiner Karriere nochmals in einer fremden Kultur in Brasilien zu arbeiten und zu wohnen, war eine grossartige Erfahrung. Wir wurden im Beruf und im Privaten von der Herzlichkeit der Menschen in Südamerika immer wieder angenehm überrascht. Sozial und kulturell waren die Jahre in Brasilien eine einmalige Erfahrung, an die ich mich gerne erinnere. Hingegen ist die Infrastruktur in vielen Regionen und Städten in einem schlechten Zustand und die Verbindungen sind spärlich ausgebaut. Die Privatisierung der Strassen und Flughäfen durch Konzessionierung hat einige Flughäfen sowie auch grosse Verbindungsstrassen modernisiert und das Reisen zunehmend komfortabler gemacht. Der Flugverkehr ist wegen den grossen Distanzen das wichtigste Verbindungsmittel, das vor allem im Inland-Bereich (Domestik) dicht geführt wird und zuverlässig funktioniert.

Und was war prägend in Ihrer Zeit als COO des Flughafens Zürich?

Das System am Flughafen Zürich ist partnerschaftlich aufgebaut und funktioniert durch Kooperationen. Das gemeinsame Interesse an einem reibungslosen und komfortablen Fluss der Passagiere steht über den partikularen Interessen der einzelnen Organisationen. Das offene Austauschen der Daten unter allen Partnern ermöglicht es dem Flughafen Zürich, auch bei knappen Ressourcen und eingeschränkten Kapazitäten eine hohe Service-Qualität anzubieten. Ein Operation Chef eines solchen Systems ist vor allem ein Teil der Flughafen-Community, die sozialen Kontakte waren mir sehr wichtig. Noch heute werde ich, wenn ich den Flughafen als Passagier benütze, als „Flughäfeler“ begrüsst.

Die Zürcher Stimmbevölkerung wird sich bald wieder intensiv mit dem Flughafen Zürich beschäftigen: Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es zu den geplanten Verlängerungen der Pisten 28 und 32 zu einer Volksabstimmung kommen. Warum braucht es diese Pistenverlängerungen?

Ein V-Pistensystem mit sich kreuzenden Pisten lässt sich nicht entkoppeln, sondern nur durch zeitlich abgegrenzte Betriebs-Systeme und bauliche Anpassungen in seiner Sicherheit und Robustheit verbessern. Die Verlängerung der Westpiste sichert die Landungen für alle Flugzeugtypen und die Verlängerung der Nordpiste 32 kreuzungsfreie Abflüge der Langstrecke.

Die Gegner argumentieren, die Pistenverlängerungen führten zu einem versteckten Kapazitätsausbau. Was entgegnen Sie?

Die konzeptionellen und baulichen Anpassungen wurden über Jahre entwickelt. Dabei spielten Überlegungen hinsichtlich Sicherheit, Robustheit im Betrieb und Verbesserung der Verspätungssituation am Betriebsende eine hauptsächliche Rolle. Die betrieblichen sowie baulichen Veränderungen sind meines Erachtens für eine zukünftige Entwicklung essenziell, weil damit der Betrieb am Flughafen Zürich nachhaltig gesichert werden kann. Der Flughafen ist bereit, für die Pistenverlängerungen rund 250 Millionen Franken zu investieren. Das Investment finanziert sich, anders als andere Infrastrukturen, ohne Belastung des Steuerzahlers, rein aus den Einnahmen der Luftfahrtindustrie. Wenn die Gegner die Pistenverlängerungen als versteckten Kapazitätsausbau bezeichnen, ist das im Bewusstsein um die tatsächlichen Effekte bezüglich Verbesserung der Sicherheit und der Robustheit geradezu zynisch. Der Flughafen Zürich ist das schweizerische Tor zu Welt und sollte sich in seinen Konzepten weiter entwickeln können. Eine zukünftige nachhaltige Entwicklung bedingt weiterhin eine Balance der Infrastruktur mit den Betriebskonzepten - und dies ist meines Erachtens im Interesse des Luftverkehrs und der Bevölkerung.

2023 feiert der Flughafen Zürich sein 75-Jahre-Jubiläum. Blicken wir nach vorne: Wie wird sich der Flughafen, wie wird sich Mobilität in den nächsten 25 Jahren entwickeln?

Der Flughafen hat sich in der Vergangenheit mit neuen Pisten- und Terminalausbauten der verändernden Nachfrage angepasst. Durch die Privatisierung wurde der Ausbau der Kommerzflächen, die Entwicklung des Circle sowie des internationalen Geschäftsfelds ermöglicht. Der Flughafen darf stolz auf erfolgreiche 75 Jahre zurückblicken. Die Luftfahrt wird auch in den nächsten 25 Jahren für neue Dynamik sorgen. Zu möglichen Herausforderungen könnten Themen wie die CO2-Neutralität, der Ersatz der Kurzstreckenflüge durch schnelle Bahnverbindungen, die Einführung von leiseren Flugzeugen, schnellere und Emissionen schonende Bautechniken oder leisere und innovative An- und Abflugverfahren sein. Es bleibt darum zu hoffen, dass die Bevölkerung, so wie in allen bisherigen Abstimmungen, den Flughafen Zürich in seinem nächsten Schritt zu einer nachhaltigen Entwicklung mit einem Ja zu den Pistenverlängerungen unterstützt.