Komitee-Stimmen Folge 18: Rudolf O. Schmid

Unter dem Titel "Komitee-Stimmen" äussern sich in diesem Blog Mitglieder des Komitees Weltoffenes Zürich regelmässig zu Themen, die wichtig sind für den Standort und dessen Anbindung an die Welt. Aktuell fragen wir nach bei Rudolf O. Schmid, Verwaltungsratspräsident der ESIMAG Immobilien AG, Airport Taxi Zürich AG, Präsident Handel Schweiz und Vorstandsmitglied von economiesuisse. Die Rubrik ist auch Teil des monatlich erscheinenden Newsletters des Komitees, der über diesen Link abonniert werden kann. Vielen Dank für Ihr Interesse!

Herr Schmid, Sie engagieren sich als Mitglied des Komitees Weltoffenes Zürich. Dessen Kernziel ist, die gute internationale Verkehrsanbindung Zürichs und der Schweiz an die Welt sicherzustellen. Was motiviert Sie, sich für ein weltoffenes Zürich zu engagieren?

Ich engagiere mich als Präsident von Handel Schweiz für eine offene und liberale Schweiz. Die Ziele des Komitees Weltoffenes Zürich passen ideal zu diesen Zielsetzungen. Was wäre der Handel, wenn der Luftverkehr eingeschränkt würde! Der Güteraustausch über die Luft ist heute eminent wichtig, unverzichtbar.

Stichwort Weltoffenheit: Das Verhältnis der Schweiz zur EU wird derzeit auf eine harte Probe gestellt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

In der Tat. Leider kann ich die Glaskugel nicht lesen. Ich bin der Ansicht - und dafür setze ich mich ein - dass eine Lösung für die bilateralen Verträge mit der EU gefunden werden muss. In ersten Bereichen wie Medizinaltechnik wurde das bilaterale Vertragsverhältnis nicht weiterentwickelt, was sich sehr negativ auf die gegenseitige Anerkennung der Zertifizierung von Produkten ausgewirkt hat. Überflüssige Kosten sind entstanden, weil zusätzlich zertifiziert werden musste. Noch gravierender und mit Geld nur noch teilweise zu korrigieren ist die Tatsache, dass die Schweiz im neuen Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung Horizont der EU nicht mehr dabei ist. Damit wird unsere Position in Wissenschaft und Forschung gefährdet.

Sie sind im Immobilienbereich tätig. Inwiefern ist die internationale Vernetzung für ihr Kerngeschäft relevant?

Die ESIMAG Immobilien AG ist ein nur in der Schweiz tätiges Unternehmen. In der Branche gilt der weltweit geltende Grundsatz „Lage, Lage, Lage“. Vor diesem Hintergrund ist es weniger wichtig, wo man investiert ist, solange man Immobilien an den standortbezogen richtigen Lagen besitzt. Da ESIMAG nicht handelt, sondern baut, renoviert und dann vermietet, macht mir vor allem die Entwicklung des Mietrechts Sorgen. Investiert wird, wenn eine Investition auch Früchte tragen kann. Dies trifft heute in Zürich beispielsweise noch zu, nicht so jedoch in Genf, wo Investitionen ausbleiben, weil eine Rentabilität derselben durch Dekrete verhindert wird, und in der Folge ganze Quartiere verlottern. Zentral ist aus meiner Sicht, dass die Märkte spielen. Der Staat sollte so wenig wie möglich mitwirken und Einfluss nehmen.

Sie präsidieren den Verband Handel Schweiz. Welche Märkte sind für die Schweiz aktuell besonders wichtig – und wie verschieben sich künftig die Gewichte?

Handel Schweiz vertritt 4000 Handelsunternehmen. Als Dachverband vertreten wir zahlreiche Branchen. Was unseren Händlern im Moment grosse Sorge bereitet, sind Lieferketten, Volatilität der Märkte, Sourcingmöglichkeiten und im Moment natürlich Energiefragen! Auch da bin ich im Rahmen meines Mandats als Vorstandsmitglied von economiesuisse involviert. Economiesuisse arbeitet im Moment daran, ohne staatliche Einflussnahme den Unternehmen Wege aufzuzeigen, die es ermöglichen sollen, die Energiepreisproblematik zumindest teilweise in den Griff zu bekommen.

Wenn ein freier, liberaler Handel mit möglichst wenigen Handelshemmnissen besteht, gilt das Sprichwort „Handel ist Wandel“. In der Konsequenz beschäftigen uns Gewichtsverschiebungen nicht so sehr, sondern wir passen uns den geänderten Rahmenbedingungen an. Der Ukrainekrieg, aber auch die No-Covid-Politik in China haben riesige Konsequenzen auf die Handelsströme und deren Veränderung, denen wir begegnen müssen.

Wie hat sich die internationale Verflechtung verändert? Und wie sehen Sie die Perspektiven – wird aufgrund der aktuellen Krisen und Unsicherheiten die Globalisierung rückgängig gemacht?

Die Globalisierung hat uns und auch der dritten Welt einen noch nie dagewesenen Lebensstandard ermöglicht. Die Globalisierung hat bewirkt, dass Bildung, medizinische Versorgung, aber auch Umweltinteressen massgeblich vorangetrieben worden sind. Die Globalisierung darf demzufolge auf keinen Fall geringgeschätzt werden. Wir müssen jedoch aus der heutigen Situation lernen, die Globalisierung differenziert zu betrachten. Es macht keinen Sinn, jegliche Risikobeurteilung zu vermeiden und zu umgehen und konsequent nur die billigste Ware zu kaufen. Überhaupt keinen Sinn macht es, nur an einem Ort einzukaufen (Single-Sourcing).

Wie wird sich die Mobilität verändern – gerade auch über weite Distanzen?

Als Präsident der Betreiberin der Flughafen Taxis in Zürich haben wir uns über die Mobilität viele Gedanken gemacht. Wir haben uns einerseits entschieden, unser Unternehmen mit 110 Fahrzeugen CO2 neutral zu betreiben (Wasserstoff-Taxis), und sind uns andererseits auch bewusst geworden, dass wir ein Luxusgut haben: von A nach B trockenen Fusses, in gekühlter Atmosphäre, mit Musik, mit Hilfe beim Ein- und Aussteigen usw. Im Vergleich dazu bietet der ÖV von A nach B zu einem günstigen Preis – konsequenterweise aber mit mehr persönlichem Aufwand, Einsatz und Einbussen - eine gute Alternative. Wozu wir im Kurzdistanzbereich bereits in der Lage sind, wird die Luftfahrt ebenfalls realisieren müssen. Ich habe Kenntnis davon, dass die Branche an Alternativen für den Flugzeugtreibstoff arbeitet. Was wir aktuell beobachten ist die Tatsache, dass sich die Flugaktivität gegenüber der Coronazeit wieder stark erholt hat. Etwas optimistisch ausgedrückt wird das Jahr 2023 im Luftverkehr als „back to normal“ in die Geschichte eingehen. Prognosen für den Business-Luftverkehr zu machen ist schwieriger; das Bedürfnis „back to normal“ besteht sicher, jedoch hat die Coronazeit aufgezeigt, dass Zoom das Fliegen mindestens teilweise ersetzen kann. Auch ökonomische Aspekte sind in diesen Trend eingeflossen. Der Optimismus bleibt, dass Menschen sich auch künftig von Zeit zu Zeit physisch treffen müssen, um erfolgreich zu sein.

Als Vorstandsmitglied des Dachverbands Economiesuisse beschäftigt Sie sicher, wie die Wirtschaft die Stimmbevölkerung überzeugen kann. Mit der Reform der Verrechnungssteuer ist wieder ein Steuerthema gescheitert. Ist in der Bevölkerung das Verständnis für Wirtschaftsanliegen abhandengekommen? Wie kann vermittelt werden, dass eine funktionierende Wirtschaft gut ist für uns alle?

Ich denke, dass sich jedermann bewusst ist, dass eine funktionierende Wirtschaft für alle, ob links oder rechts, Grundvoraussetzung unseres Wohlstands ist. Die Wirtschaft prosperiert aktuell, es geht uns gut. Wir verfügen über die tiefste Inflation, eine starke Währung, und äusserst niedrige Arbeitslosenzahlen; die Wirtschaft sucht Fachkräfte. Konsequenterweise besteht kein Änderungsbedarf. Selbstverständlich haben sich Handel Schweiz, economiesuisse und weitere Dachververbände für die Reform der Verrechnungssteuer eingesetzt; leider sind wir daran gescheitert, den Nutzen dieser Reform allgemeinverständlich in populärer Form zu erklären. Den Mindereinnahmen wurden geschätzte - und umstrittene - künftige Mehreinnahmen gegenübergestellt. Steuerthemen sind regelmässig problematisch; es gibt stets Gewinner und Profitierende sowie Verlierer und Benachteiligte. Viel mehr Sorgen bereitet mir die ultralinke Initiative, welche zum Zweck hat, hohe Vermögen in übermässig hohem Ausmass zu besteuern. Da muss die Frage gestellt werden, ob am Ende nicht wesentliches Steuersubstrat abwandert, und den angedachten Nutzen so torpediert. Persönlich bin ich zuversichtlich, dass der Schweizer Bürger wie in ähnlichen Fällen dieses Risiko erkennt, und gegen einen solchen Raubzug votieren wird. Es ist eine anerkannte Tatsache, dass bereits heute 20 Prozent der Steuerzahler 80 Prozent der Bundessteuer-Einnahmen generieren.