Komitee-Stimmen Folge 1: Martin Naville

Unter dem Titel Komitee-Stimmen äussern sich in diesem Blog Mitglieder des Komitees Weltoffenes Zürich regelmässig zu Themen, die wichtig sind für den Standort und dessen Anbindung an die Welt. Aktuell fragen wir nach bei Martin Naville, CEO der Swiss-American Chamber of Commerce und Präsident des Komitees Weltoffenes Zürich. Die Rubrik ist auch Teil des monatlich erscheinenden Newsletters des Komitees, der über diesen Link abonniert werden kann. Vielen Dank für das Interesse!

 

Herr Naville, Sie haben sich im April am Gipfel «Back in the Air» beteiligt, an dem sich Luftfahrt, Wirtschaft, Sozialpartner und Tourismus zusammenschlossen. Gemeinsam fordert die Allianz vom Bundesrat, auf den Sommer hin einfaches und sicheres Reisen zu ermöglichen. Was fordern sie konkret?

Reisen muss wieder einfach möglich werden – auf verantwortungsvolle Weise. Wir fordern erstens, dass Sicherheit über eine breit angelegte Impf-, Test- und Tracing-Strategie erreicht wird. Zwischen Ländern mit ähnlichem Ansteckungsrisiko gehören Reisebeschränkungen abgeschafft – sie haben keinen Effekt auf die Pandemie. Zweitens muss frei reisen können, wer negativ getestet, geimpft oder genesen ist. Und drittens braucht es den Einsatz digitaler Nachweise. Dazu muss der Bund keine eigene Lösung entwickeln. Gefragt ist ein pragmatischer Umgang bei der Bewilligung bestehender Lösungen.

Und wie soll es jetzt weitergehen, was erwarten Sie vom Bundesrat?

Zentral ist, dass er die Dringlichkeit erkennt. Luftfahrt ist kein Selbstzweck – viele nachgelagerte Bereiche hängen an ihr: (Export-)Wirtschaft, Tourismus, internationale Organisationen, Bildung, Forschung, alles Bereiche, welche die Exzellenz der Schweiz ausmachen. Der Bundesrat muss die genannten Forderungen in Zusammenarbeit mit der Verwaltung und der Luftfahrtbranche interdisziplinär in Angriff nehmen und ein umfassendes Konzept entwickeln. Die Zeit drängt, der Sommer naht.

Sie fordern, dass wieder gereist werden kann - aber wollen das die Leute überhaupt?

Sowohl im Geschäfts- als auch im Freizeitverkehr gibt es kurzfristig eine grosse aufgestaute Nachfrage. Umso wichtiger ist ein gut geplanter Wiederaufbau der Angebote. Im Geschäftsverkehr wird der Effekt, dass sich digitale Meetings bewährt haben, sicher spürbar sein. Auch eine qualitative Befragung der Mitglieder des Komitees Weltoffenes Zürich hat ergeben, dass etliche Unternehmen mit einem Rückgang der Geschäftsflüge rechnen – die Schätzungen beziffern das Minus auf 20 bis 50 Prozent. Das ist aber weitgehend noch Spekulation. Im Geschäftsleben wird es wichtig bleiben, sich real und direkt zu treffen und auch mal in einer Kaffeepause oder bei einem Glas Wein zu plaudern. Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen, das gilt auch für Geschäftsleute.

Sie sind auch CEO der Swiss American Chamber of Commerce. Wie spüren Sie aus dieser Warte die Folgen der Pandemie? Wie sind Handel und Austausch zwischen der Schweiz und Amerika beeinträchtigt und was sind die Perspektiven?

Im Verhältnis zu Amerika hat sich der Schweizer Export erfreulich entwickelt. 2020 gingen diese Exporte um lediglich 2.5% zurück. Zum Vergleich: Exporte nach Deutschland nahmen um 3.9% ab. Im ersten Quartal 2021 haben die Exporte in die USA im Vergleich zum vierten Quartal 2020 ein Plus von 21.6% gebracht. Die kurzfristigen Perspektiven sind sehr positiv dank der sehr schnellen Impfungen, den entsprechenden Normalisierungen und der massiven Wirtschaftsstimulierung durch die Administration Biden.

Amerika machte in der Pandemie-Bekämpfung lange Zeit eine schlechte Figur, die Opferzahl waren hoch. Jetzt funktioniert der Impfplan aber sehr gut. Das Schlechte Trump zuzuschreiben und das Gute Biden ist sicher zu einfach – wie erklären Sie die Diskrepanz?

Sie haben Recht bezüglich der schlechten Figur in der Pandemiebekämpfung, wenigstens wenn man den Medien glaubt. Die Fakten sehen etwas anders aus. Die Mortalität pro Kopf in den USA liegt hinter derjenigen vieler europäischen Staaten zurück, so zum Beispiel Italien, UK, Belgien, Tschechien oder Ungarn. Die USA hat doppelt so viel getestet wie die Schweiz und dank dem «Warp Speed» Programm der USA sind die erfolgreichen Impfstoffe zur grossen Mehrheit in den USA entwickelt worden. Auch das Impfprogramm, mit dem bis heute ein dreimal höherer Anteil der Bevölkerung geimpft wurde als in der Schweiz, hat die Administration Trump aufgesetzt. Dass man diese Erfolge aus Sympathiegründen lieber Joe Biden zuschreiben möchte, ist sehr verständlich, entspricht aber leider nicht ganz den Fakten.