Unter dem Titel Komitee-Stimmen äussern sich in diesem Blog Mitglieder des Komitees Weltoffenes Zürich regelmässig zu Themen, die wichtig sind für den Standort und dessen Anbindung an die Welt. Aktuell fragen wir nach bei Martin Brettenthaler, CEO der Swiss Krono Group und Vorstandsmitglied des Komitees Weltoffenes Zürich. Die Rubrik ist auch Teil des monatlich erscheinenden Newsletters des Komitees, der über diesen Link abonniert werden kann. Vielen Dank für das Interesse!
Herr Brettenthaler, Sie engagieren sich als Vorstand im Komitee Weltoffenes Zürich. Dessen Kernziel ist, die gute Anbindung Zürichs und der Schweiz an die Welt sicherzustellen. Wie konkret ist die Swiss Krono Group auf internationale Vernetzung angewiesen?
Unsere Gruppe erzielt 95% des Gruppenumsatzes von zirka CHF 2 Mrd. ausserhalb der Schweiz. Dazu betreiben wir neben dem Schweizer Stammwerk Produktionsstätten in sieben weiteren Ländern. Doch auch die Schweizer Gruppengesellschaft exportiert über 70% ihrer Produktion – in den EU-Raum, nach Grossbritannien, nach Nordamerika und einen wichtigen Teil auch nach China. Wie wichtig die internationale Vernetzung und die Möglichkeit des ungehinderten Reisens für uns ist, haben wir in der Pandemie schmerzlich vor Augen geführt bekommen: Die Holzwerkstoffbranche ist eine hochspezialisierte Industrie mit weltweiter Vernetzung. Der Unterhalt unserer Anlagen wie auch vielfältige IT-Projekte benötigen Spezialisten aus dem Ausland. Deren Einreise in die Schweiz und auch in andere Länder, in denen wir tätig sind, war während verschiedener Phasen der Pandemie nicht möglich. Gleichzeitig konnten wichtige Kunden (zu) lange nicht mehr persönlich besucht werden. Wir haben das Beste aus der Situation gemacht und aus eigener Kraft hybride Vertriebskonzepte entwickelt, die ein gutes Echo erfahren haben. Nach Covid wird es sicher weniger Geschäftsreisen und weniger physische Messen geben – verzichten können und wollen wir darauf aber nicht!
Welches sind für Sie die wichtigsten Märkte und wie konnten und können Sie Beziehungen und Geschäfte pflegen angesichts der Reiserestriktionen?
Unsere Gruppe hat in den letzten Jahren mehrere hundert Millionen Dollar in den Ausbau unseres amerikanischen Laminatbodenwerks in South Carolina gesteckt. Die neue Produktionslinie dort produziert seit zwei Jahren, ist aber immer noch in der Optimierungsphase. Ich selbst konnte zwar in den letzten zwölf Monaten zweimal in die USA einreisen, doch viele unserer technischen Experten aus verschiedenen Ländern haben erst unlängst die dafür nötige National Interest Exception (NIE) erhalten. Ein für uns wichtiger Zukunftsmarkt ist China – zum Glück haben wir dort einen langjährigen Partner, den wir gut kennen, denn Reisen nach China und Südostasien sind zurzeit praktisch unmöglich respektive wegen der Quarantäne-Bestimmungen unzumutbar. Ein weiterer wichtiger Investitionsstandort ist Russland – ich konnte im Mai dorthin reisen, aber auch hier bestehen für wichtige Schlüsselmitarbeiter nach wie vor Einreisebeschränkungen wegen Covid-19. Zum Glück können wir aber mittlerweile wieder überall in Europa ungehindert reisen.
Aktualitätsbedingt die Anschlussfrage: Das Verhältnis der Schweiz zur EU wird derzeit auf eine harte Probe gestellt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung? Wie wichtig und warum konkret ist für die Swiss Krono Group eine verlässliche Beziehung zur EU?
Wie bei jedem Thema ist aus Sicht eines Unternehmens Unsicherheit auch hier Gift und lähmt bei Investitions- und Strategieentscheiden. Für Swiss Krono sind Marktzugang ohne Hemmnisse, was heute gewährleistet ist, und freier Personenverkehr von zentraler Bedeutung. Die bilateralen Verträge stellen das sicher. Nicht unterschätzen darf man meiner Meinung nach aber die Auswirkung des Scheiterns des Rahmenabkommens auf das Image der Schweiz bei potenziellen Arbeitnehmern im EU-Raum. Indirekt sind auch wir von Dossiers betroffen, die wegen des nicht zustande gekommenen Rahmenabkommens weiter einer Lösung harren. In erster Linie betrifft uns hier das auf Eis gelegte Energieabkommen. Als energieintensives Unternehmen ist eine verlässliche Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen für uns eminent wichtig. In unserem Verständnis würde die stärkere Einbindung der Schweiz in das europäische Stromsystem das Risiko von Blackouts reduzieren. Vor allem aber ist zu befürchten, dass es zu einer langsamen Erosion des bilateralen Verhältnisses der Schweiz zur Europäischen Union kommt, was rasch unerwartete negative Konsequenzen in einzelnen, heute noch gar nicht bekannten Themengebieten nach sich ziehen kann. Wir dürfen nie vergessen, wie bedeutsam die EU und hier insbesondere die Nachbarländer für die Schweizer Wirtschaftsleistung sind.
Einem Blick in die Kristallkugel gleicht die Frage, wie stark sich der Geschäftsreiseverkehr nach der Pandemie wieder entwickeln wird. Wie lautet Ihre Einschätzung: Werden sich Video-Calls langfristig etablieren oder haben alle genug davon – und es wieder ähnliche viele physische Sitzungen wie vor der Pandemie?
Videomeetings als Ersatz für viele bisherige physische Treffen werden bleiben und ein fester Bestandteil sein. Die Technologien dazu haben während der Pandemie auch atemberaubende Fortschritte gemacht – sowohl was die Bild- und Tonqualität betrifft als auch bezüglich der Entwicklung von Tools, die die Vorteile von digitalen Meetings ausnutzen – ich denke etwa an automatische Besprechungsprotokollierung oder Übersetzung mit Untertiteln. Trotzdem sind physische Zusammentreffen unabdingbar für eine gute Wirtschaftsentwicklung. Videocalls funktionieren gut bei etablierten Beziehungen. Neues anzugehen mit neuen Gesprächspartnern nur per Video ist meines Erachtens sehr schwierig. Ähnlich skeptisch sind wir der Idee des fortwährenden „Home Office“ gegenüber eingestellt: Es braucht Zufallsbegegnungen im Unternehmen, um kreative Prozesse in Gang zu setzen. Geschäftsreisen werden wichtig bleiben, allerdings wahrscheinlich in geringerer Frequenz – und sie werden länger ausfallen: Für ein zweistündiges Meeting wird man nicht mehr nach Madrid fliegen. Wegen wahrscheinlich ausgedünnter Flugpläne und komplizierterem Reisen wird man aber länger am Ziel bleiben, wenn man einmal dort ist, und verschiedenste Termine kombinieren. Wie es mit Messen weiter gehen wird, wird spannend zu sehen sein.
Wie erwarten Sie die Entwicklung des Geschäftsreiseverkehrs in Ihrem Unternehmen? Gibt es diesbezüglich schon neue Richtlinien?
Wir haben unsere Reiserichtlinien nicht angepasst. Ich erwarte, dass sich unser Geschäftsreisevolumen mittelfristig bei zwei Dritteln des Umfangs von vor der Pandemie einpendeln wird.
Die Perspektiven haben sich nach bald 1,5 Jahren Corona-Pandemie aufgehellt, trotz Unsicherheiten wegen der Delta-Variante und der vierten Welle. Wie spüren Sie als CEO der Swiss Krono Group die leicht verbesserte Lage?
Nach schwierigen Monaten in der ersten Welle im April und Mai 2020, als viele Endverbrauchermärkte - für uns sind die Baumärkte relevant – weltweit im Lockdown geschlossen waren, hat die Pandemie danach die Nachfrage nach Baustoffen und Möbeln, für die wir wichtige Komponenten bereitstellen, beflügelt: Die meisten Menschen konnten nicht reisen, waren zu Hause und haben die Zeit genutzt, Haus und Garten zu verschönern. Das kam uns zugute. Die nach wie vor tiefen Zinsen und verschiedene Infrastrukturprogramme vieler Regierungen stützen darüber hinaus die Baukonjunktur. Im Moment laufen alle unsere Produktionswerke auf Hochtouren und wir sind mit dem Geschäftsgang zufrieden.
Und zum Schluss ein Themenwechsel – noch eine Frage zum CO2-Gesetz. Dieses wurde vom Stimmvolk abgelehnt, gleichwohl bleibt Klimaschutz wichtig. Wo sehen Sie Handlungsbedarf und Potenzial in Ihrer Branche, der Holzwerkstoffindustrie?
Der Klimawandel ist und bleibt eine grosse globale Herausforderung, daran ändert die Ablehnung des CO2-Gesetzes, das wir als Unternehmen unterstützt haben, natürlich nichts. Die Dekarbonisierung von Gesellschaft und Wirtschaft muss vorangehen, aber nicht durch Technologieverbote, sondern durch Lenkungsabgaben und Anreize. Gerade in der EU gibt es da verschiedene Ansätze, die interessant sind zum Beispiel das Border-Tax-Adjustment im Rahmen des European Green Deal. Die Holzwerkstoffindustrie ist ideal positioniert, um hier einen Beitrag zu leisten: Zwar braucht unsere Produktion eine grosse Menge an Energie, aber gleichzeitig speichern unsere Holzprodukte eine weitaus grössere Menge an CO2 als bei ihrer Produktion – auch unter Berücksichtigung aller Vorprodukte – anfällt. Wer Holz und Holzwerkstoffe dauerhaft verbaut, leistet einen CO2-Senkenbeitrag. Dieser Zusammenhang ist noch nicht überall ausreichend bekannt – hier hat unsere Branche Aufklärungsarbeit zu leisten.