Komitee-Stimmen Folge 3: Markus Hutter

Unter dem Titel Komitee-Stimmen äussern sich in diesem Blog Mitglieder des Komitees Weltoffenes Zürich regelmässig zu Themen, die wichtig sind für den Standort und dessen Anbindung an die Welt. Aktuell fragen wir nach bei Markus Hutter, Geschäftsführer der Hutter Dynamics AG und Vorstandsmitglied des Komitees Weltoffenes Zürich. Die Rubrik ist auch Teil des monatlich erscheinenden Newsletters des Komitees, der über diesen Link abonniert werden kann. Vielen Dank für das Interesse!

Herr Hutter, Sie engagieren sich als Vorstand im Komitee Weltoffenes Zürich. Dessen Kernziel ist, die gute Anbindung Zürichs und der Schweiz an die Welt sicherzustellen. Wie konkret ist die Hutter Dynamics AG auf internationale Vernetzung angewiesen?

Weil die Schweiz bekanntlich keine Autos herstellt, kommen alle unsere Produkte, die wir verkaufen, aus dem Ausland. Dabei handelt es sich längst nicht mehr nur um Deutschland, sondern auch um die USA, China, Österreich, Ungarn und andere Länder mit Produktionsstandorten. Ein Blick auf die Zulieferer, die Marketing-Anbieter sowie immer ausgeprägter auch die IT-Entwickler belegt die hohe internationale Verknüpfung mit gegenseitigen Abhängigkeiten. Das kann nur in einer reibungslos vernetzten, globalisierten Wirtschaftsordnung funktionieren.

Auf die Probe gestellt wird das Verhältnis der Schweiz zur EU? Wie beurteilen Sie die Entwicklung? Und wo sehen Sie Ansätze für einen Lösungsweg?

Der Umgang mit unseren Nachbarn ist seit Jahrhunderten eine Schicksalsfrage der Schweiz. Wenn es nicht gelingt, uns über Themen wie Souveränität, Gleichgewicht zweier Staatsysteme und Ausprägung der eigenen Interessenvertretung zu einigen, wird unweigerlich unser Wohlstand leiden. Gerade die Anflugfrage bezüglich Flughafens Zürich zeigt seit Längerem, dass keine Lösung mit unseren Nachbarn gelingen kann, wenn nicht einmal die Kantone einheitlich auftreten. Nur wenn es uns gelingt, aus solchen Fehlern zu lernen, werden wir tragfähige und von einer Mehrheit akzeptierte Lösungen finden. Erst dann sollten wir die Verhandlungen mit der EU wieder aufnehmen, um auf den gemeinsamen Interessen ein mehrheitsfähiges institutionelles Abkommen abzuschliessen.

Wie stark ist Ihr Unternehmen auf intakte Beziehungen zur EU angewiesen?

Auch wenn Hutter Dynamics nur wenige Kunden aus der EU hat, sind wir auf gute Beziehungen zur EU angewiesen. Dabei handelt es sich nicht nur um den Güterhandel, sondern auch um den Austausch von Daten, die Anwendung von Rechtsnormen oder die Anstellung von ausländischen Arbeitskräften. Wir haben vor allem in Schaffhausen seit Jahren mehrere Grenzgänger angestellt und spüren die kleinsten Veränderungen betreffend Dienstfahrzeug-Besteuerung, Händlerschilder-Benutzung oder Datenschutzregulierung. Wir brauchen – auch als KMU – gute Rahmenbedingungen, wozu zwingend intakte, stabile Beziehungen zu unseren Nachbarländern zählen.

Erfreulich ist, dass sich nach bald 1,5 Jahren Corona-Pandemie die Perspektiven aufgehellt haben. Wie spüren Sie als Geschäftsführer der Hutter Dynamics AG die verbesserte Lage?

Die Zuversicht der Konsumentinnen und Konsumenten wächst und damit nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Bereitschaft, zu investieren – gerade auch ins Auto, dem wohl teuersten Konsumgut. Es kommt langsam wieder so etwas wie Normalität zurück – sei es im Verkehr auf der Strasse, sei es bezüglich realen Veranstaltungen mit Kunden oder bezüglich der Rückkehr zu einer weniger pandemiegeprägten Minimierung des Infektionsrisikos.

Einem Blick in die Kristallkugel gleicht die Frage, wie stark sich der Geschäftsreiseverkehr nach der Pandemie wieder entwickeln wird. Werden sich Video-Calls langfristig etablieren oder haben alle genug davon – und es gibt wieder ähnlich viele physische Sitzungen wie vor der Pandemie?

Das Pendel wird wieder zurückschlagen – allerdings kaum bis zum Zustand vor der Pandemie. Video-Calls werden sich in der alltäglichen Business-Kommunikation langfristig etablieren, während die physischen Sitzungen mit ihren ganzheitlichen Kriterien wieder stärker an Gewicht gewinnen, gerade bei grundsätzlichen, strategischen Fragen, bei denen alle Aspekte einer Teamleistung für gute Entscheide einbezogen werden müssen. Somit wird nach meiner Einschätzung der Geschäftsreiseverkehr wieder anwachsen, sobald es die nationalen Vorsichtsmassnahmen erlauben, er wird aber kaum mehr das Niveau von 2019 erreichen. Genauso wird es sich vermutlich bei den physischen Sitzungen ergeben, ganz nach dem Prinzip „Annäherung, aber keine Rückkehr“. Wir leben auch im Geschäft von der Nähe zu unseren Kunden, Partnern und Mitarbeitenden, selbst wenn wir ihnen möglicherweise zur Begrüssung nicht mehr so schnell die Hand reichen.

Zum Schluss ein Themawechsel – noch eine Frage zum CO2-Gesetz. Dieses wurde vom Stimmvolk abgelehnt, gleichwohl bleibt Klimaschutz wichtig. Warum scheiterte die Vorlage? Und wie soll die Schweiz nun dennoch die Zielsetzung der Pariser Klimaabkommen erreichen und die Treibhausgasemissionen bis 2030 markant senken?

Das CO2-Gesetz scheiterte, weil eine Mehrheit des Stimmvolks erkannt hat, dass die Kosten individuell deutlich ansteigen würden, ohne eine kollektive Wirkung gegen die Klimaerwärmung zu erzielen. Ein nachteiliges Gesetz nur fürs Schaufenster, um zu zeigen, dass wir „etwas“ tun: das vermochte nicht zu überzeugen. Wir sollten ohne Panik und schlechtes Gewissen die Dekarbonisierung vorantreiben – nicht mit Verboten und gigantischer Umverteilung, sondern mit den dazu nötigen Voraussetzungen, beispielsweise einer möglichst rasch genügenden Verfügbarkeit von Elektro-Ladestationen zur erfolgreichen Förderung der Elektromobilität.

Wo sehen Sie in der Automobilindustrie Handlungsbedarf und Handlungsoptionen?

Die Automobilindustrie unterliegt einem enormen Wandel und befindet sich –überspitzt formuliert – „im freien Fall“. Die Bewältigung dieser Krise birgt existentielle Risiken, weshalb der Handlungsbedarf sehr hoch ist. Ohne Zweifel wird allein der Umbruch auf die Elektromobilität neue Geschäftsmodelle mit völlig veränderten Bedürfnissen, Lieferketten und Geschäftsmodellen erfordern. Dabei wird die Bedeutung der Elektronik im Automobilbau mindestens so stark steigen wie die Entwicklung leistungsfähiger Batterien. Vieles entwickelt sich dynamisch - ob und wann wir autonom fahren, welche Antriebssysteme sich wann durchsetzen. Überzeugt bin ich aber, dass die einzige Konstante, Grundlage und Chance zugleich die hohe Attraktivität des Automobils bleiben wird – was nicht nur die immer weiter steigende Mobilität zeigt, sondern auch die pandemiebedingte Verlagerung vom öffentlichen auf den individuellen Privatverkehr.