Unter dem Titel "Komitee-Stimmen" äussern sich in diesem Blog Mitglieder des Komitees Weltoffenes Zürich regelmässig zu Themen, die wichtig sind für den Standort und dessen Anbindung an die Welt. Aktuell fragen wir nach bei Andreas Juchli, Arzt, Verwaltungsratspräsident und Eigentümer der JDMT Medical Services AG sowie Kantonsrat (FDP). Die Rubrik ist auch Teil des monatlich erscheinenden Newsletters des Komitees, der über diesen Link abonniert werden kann. Vielen Dank für Ihr Interesse!
Herr Juchli, in einer Woche wählen die Zürcherinnen und Zürcher den Regierungsrat und den Kantonsrat, auch Sie treten wieder an. Nervös?
Nein. In der Schweiz sind wir durch und durch "Milizler" - mit Engagement in der Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Militär. So halte auch ich es. Ich setze mich sehr ein und versuche, die Menschen zu überzeugen. Sollte ich dann an einem Ort nicht reüssieren, versuche ich es noch einmal oder finde stattdessen Zeit für Dinge, die mir heute fehlt.
Sie engagieren sich als Mitglied des Komitees Weltoffenes Zürich. Dessen Kernziel ist, die gute internationale Verkehrsanbindung Zürichs und der Schweiz an die Welt sicherzustellen. Was motiviert Sie, sich für ein weltoffenes Zürich zu engagieren?
Drei Aspekte: Wirtschaft, Gesellschaft und auch etwas Philosophisches: Zum Philosophischen: Wer für die Mobilität der Menschen nur die Füsse, das Velo oder das Pferd vorsieht, allenfalls die elektrifizierten Züge (wobei nur bis zur Landesgrenze, weil im Ausland zumeist wenig grün angetrieben), der wird der Welt mit ihren globalen Herausforderungen nicht gerecht. Wie soll man Menschen in anderen Weltgegenden und ihr Handeln verstehen, wenn man sie nie zu treffen vermag? Zu reisen ist Lebensqualität. Wer reisen, fremde Welten entdecken möchte, der soll dies auch tun können - möglichst ökologisch, ja, aber eben so, dass die Wertschöpfung vom Reisen möglichst in der Schweiz bleibt. Und damit eben die wirtschaftliche Bedeutung: Wirtschaft ohne Flughafen geht schon, sie wird einfach zur Provinz-Wirtschaft. Ich setze mich ein für eine Schweizer Wirtschaft, die Weltspitze ist. Und dafür braucht sie eben auch Anschluss an die Weltwirtschaft - mit dem Flughafen Zürich.
Stichwort Weltoffenheit: Das Verhältnis der Schweiz zur EU wird derzeit auf eine harte Probe gestellt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
Ich betrachte dies primär als ein technisches Problem, das lösbar ist. Grundsätzlich haben wir mit Europa kein Problem und Europa auch nicht mit uns. Wir pflegen den Austausch, pflegen Handel miteinander. Europa ist in einer Union, wir wollen möglichst viel Eigenständigkeit bewahren. Das ist nicht wirklich ein Konflikt, verglichen mit Konflikten und Zerwürfnissen andernorts auf der Welt. Ziel muss es sein, auf Augenhöhe Absprachen zu treffen, die beiden zusagen. Kurzer Nenner: Wir wollen freien Handel treiben, das kostet uns etwas. Möglichst wenig politische Kosten, dafür wohl etwas mehr aus unserem Portemonnaie.
Die Zürcher Stimmbevölkerung wird sich bald intensiv mit dem Flughafen Zürich beschäftigen: Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es zu den geplanten Verlängerungen der Pisten 28 und 32 zu einer Volksabstimmung kommen. Warum braucht es diese Pistenverlängerungen?
Die Pistenverlängerungen müssten so etwas von unpolitisch sein - weil sie einzig der Sicherheit dienen. Das heutige Regime auf dem Flughafen Zürich ist anspruchsvoll im Betrieb. Durch die Pistenverlängerungen kann der operative Betrieb vereinfacht und damit auch sicherer werden.
Der Flughafen Zürich feiert 2023 sein 75-Jahre-Jubiläum? Was bedeutet er für Sie persönlich?
Die Fliegerei bedeutet eine Faszination. Und sie bringt viel Gutes. Was der Flughafen Zürich und die assoziierte Wirtschaft seit 75 Jahren für unser Land geleistet und an Wohlstand gebracht haben, ist phänomenal. Indes dürfen wir nicht davon ausgehen, dass 75 Jahre Erfolg in der Vergangenheit Garant für den Erfolg in der Zukunft sein werden - darum eben der Einsatz von so vielen Menschen in unserem Kanton für Gesellschaft und Wirtschaft, und damit eben auch für den Flughafen Zürich.
Und welche Bedeutung wird der Flughafen in 25 Jahren haben? Wie wird sich Mobilität bis 2048 verändern?
Ich bin davon überzeugt, dass wir grösstes Interesse daran haben, die Mobilität der Menschen zu fördern. Vorurteile entstehen dort, wo Menschen sich nicht kennen, sich nicht begegnen. Die Mobilität wird ökologischer werden - mit dem Flughafen Zürich ganz vorne dabei. Mobilität wird also gesellschaftlich und wirtschaftlich sicher noch viel, viel wichtiger werden. Und weil dadurch die Distanzen gespürt kürzer werden, wäre der wirtschaftliche Schaden durch Abseitsstehen aufgrund von Behinderungen des Flugverkehrs noch viel massiver als er heutzutage schon wäre.
Themenwechsel, Sie wurden während der Pandemie medial als „Master-Mind hinter dem Corona-Tracing im Kanton Zürich“ geadelt. Die Pandemie ist nun nicht vorbei, aber wir können doch optimistisch sein, dass das Gröbste hinter uns liegt. Sehen Sie das auch so – und falls Ja was heisst das für Ihr Unternehmen?
Ja, diese Pandemie hat für die Schweiz ihren Schrecken verloren. Indes gehören infektiöse Ereignisse und andere Krisen, die uns aus der Komfortzone reissen können, zu unserem Leben. Für mein Unternehmen bedeutet das Pandemieende, dass wir die während COVID trainierte Agilität weiter beibehalten, um für Unternehmen und Behörden mit unseren Health & Medical Services, Humanitarian Services und Emergency & Crisis Management zur Seite zu stehen. Unternehmerisch eine spannende Herausforderung, der sich mein Team und ich sehr gerne stellen.
Wie sind wir rückblickend durch die ersten Pandemie-Jahre gekommen? Was sind Ihre Learnings, die wir politisch und gesellschaftlich bei einer nächsten solche Krise besser machen müssen?
Dank des Wohlstands - wir können uns einfach alles leisten - sind wir grundsätzlich gut durch die Krise gekommen. Die Effizienz und Verhältnismässigkeit könnte besser sein, wenn wir die Eigenverantwortung noch stärker gewichten. Eigenverantwortung muss dann aber auch wahrgenommen werden. Darum dürfen wir nicht immer und überall nach dem Staat rufen à la "Denke Dir nichts, der Staat schaut schon für Dich." Die Krise hat meines Erachtens auch gezeigt, dass der Föderalismus für unser Land weiterhin sehr wichtig ist, aber auch gelebt werden muss. Wenn die Kantone ihren Handlungsspielraum nicht nutzen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn der Bund dann nicht alles nach ihrem Wunsch für sie entscheidet. Und schliesslich müssen wir Krisen besser trainieren. Ich zum Beispiel habe enorm viel von der Ausbildung und meiner Tätigkeit als weiterhin aktiver Offizier der Schweizer Armee profitiert für meine Funktion während COVID.